Der aktive Vulkan

Japan besteht aus lauter Vulkaninseln,

es gehört zu dem Pazifischen Feuerring,

weshalb wir dort auch zahlreiche Erdbeben erleben.

 

In einem Workshop auf einer der Inseln

habe ich die Teilnehmerinnen ermutigt,

Stimme und Bewegung aus ihrem Körper,

aus ihrem Schoßraum kommen zu lassen.

In kurzer Zeit fanden hier und dort

Eruptionen von Tönen, Stampfen und anderen Bewegungen statt.

 

Anschließend stieß die Eruptivste im Kreise

mit bebender Stimme fast flehend hervor:

"Ich bin so wütend!

In mir steckt so viel Kraft,

und ich habe bisher nicht einen Bruchteil davon eingesetzt!"

Alle Anwesenden stimmten ihr betroffen zu.

 

Statt dass wir unsere Kraft eingesetzt haben,

um uns auszudrücken und Dinge zu verwirklichen,

die uns am Herzen liegen,

haben viele von uns sie darauf verwendet,

gerade unsere eigenen Impulse zurückzuhalten und zu unterdrücken.

 

Das kann damit angefangen haben,

dass ich zum Beispiel als Mädchen erfahren habe,

es sei von meinen Eltern nicht erwünscht,

zu laut meine Wut oder auch Freude zum Ausdruck zu bringen.

- Und was heißt hier wohl 'zu laut'?

 

Indem das Mädchen Ähnliches wiederholt erlebt hat,

kann es die Gewohnheit entwickelt haben,

seine spontanen Impulse,

kaum dass sie entstanden sind,

schnell zu unterdrücken,

bis es mit der Zeit immer weniger derer bewusst wurde.

Als Erwachsene hat sie dann

mit einem unbestimmten Gefühl der Unfreiheit und Stumpfheit gelebt.

 

In seltenen Momenten hat sie sich erinnert und gewundert,

wie lebendig und frei sie sich doch einmal gefühlt hatte.

Als Kind wusste sie doch mal ganz genau, was sie wollte!

 

Wie viel Kraft wird wohl freigesetzt,

wenn ich sie nicht mehr darauf verwende,

meine eigenen Impulse zurückzuhalten?

Wenn ich von dem ruhenden Vulkan, der ich geworden war,

wieder zu einem aktiven werde?

Wie würde sich mein Leben anfühlen,

wenn ich den Regungen, die aus mir kommen,

freien Lauf lassen und sie zum Ausdruck bringen würde,

in Form von Tränen, eines Lachens oder eines Ausrufs,

als ein Tanz, als ein Lied, als ein Gedicht oder als eine Zeichnung,

als ein Projekt oder als ein Akt der Liebe?

 

Diese Frage möchte ich dir gerne heute mitgeben.

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Kommentare: 2
  • #1

    Irene (Mittwoch, 10 Oktober 2018 15:56)

    Liebe Mari, seit ich bei dir war, hat sich mir die Tür zu genau dem Weg geöffnet, über den du hier schreibst, und auch wenn ich meine Gefühle nicht unbedingt explosiv herauslasse, kann ich inzwischen ganz anders mit mir und meinen Impulsen umgehen. Ich nehme sie wahr, lasse sie freudig zu und gebe ihnen ganz bewusst und ruhig Raum in meinem Leben, ich lache, ich kommuniziere lockerer als vorher, ich unterdrücke auch meine Tränen nicht, wenn sie kommen wollen, ich singe vor mich hin, ich lerne eine neue Sprache, und ich bin nach wie vor glücklich in dem Gefühl, dass ich liebe …noch einmal Dank für alles!

  • #2

    Mari (Freitag, 12 Oktober 2018 08:06)

    Liebe Irene, wie wundervoll!
    Besonders berührt mich dein Glücksgefühl zu lieben.
    Das erlebe ich gerade auch sehr intensiv in einer turbulenten Zeit. Und auch ich weine, manchmal vor Trauer, manchmal vor Glück, dann bin ich wütend, im nächsten Moment möchte ich tanzen, mein Körper macht Drehungen ... Das volle Leben eben :-)
    Ganz herzliche Grüße an dich!